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„Murmeln der Erinnerung“ ein Projekt der Arolsen Archives und fabular.ai

Zvi Aviram – Widerstand und Überleben

Foto: alle: Privatbesitz11
Der 14-jährige Heinz Abrahamsohn (1941). Links mit seiner Schwester Betty (1934) und rechts mit Freunden (1937).
Eine Tour zum Lesen

Hier erfährst du mehr über das Leben von Zvi Aviram. In einem Zeitzeugengespräch blickte Zvi Aviram auf seine Kindheit in Berlin zurück. Es sind Ausschnitte aus dem Zeitzeugengespräch im Jüdischen Museum Berlin im Jahr 2019 zu hören. Die gesamte Stadttour zu Zvi Avirams Jugend und Widerstand in Berlin ist in der Berlin History App zu finden. Mehr Informationen zu den Stadttouren auf den Spuren jüdischer Schüler*innen in Berlin findest du hier.

Zvi wurde am 25. Januar 1927 als Heinz Abrahamsohn in Berlin geboren. Zusammen mit seinen Eltern und seiner Schwester Betty lebte er von 1933 bis 1943 in der Zehdenicker Straße im Prenzlauer Berg im Hinterhaus.

Im Audio beschreibt Zvi seine Kindheit in Berlin:

Zvi erzählt von seiner Schulzeit

Zunächst ging Zvi auf eine öffentliche Schule in der Zehdenicker Straße, direkt um die Ecke von seinem Wohnhaus in Berlin.

Zvi beschreibt seine Schulzeit in Berlin Folgendermaßen:

Foto: 1.2.4.1/12647680, ITS Digital Archive, Arolsen Archives 11
Hier siehst du Zvis Schülerkarte.
Zvi erzählt von der schrittweisen Ausgrenzung

Auch außerhalb der Schule wurde die Situation für Zvi und seine Familie immer schwieriger und belastender.

Er beschreibt, wie er sich als Kind fühlte und welche Erfahrungen er auf dem Schulweg gemacht hat. Hör dir dazu das Audio an:

Zvi muss Zwangsarbeit leisten

Zvis Schwester Betty konnte 1939 kurz vor ihrem 10. Geburtstag mit einem Kindertransport, einer Rettungsaktion für jüdische Kinder, nach England und schließlich nach Australien fliehen. Währenddessen beendete Zvi die Schule mit 14 Jahren nach der 8. Klasse – das war damals so üblich – und fing 1941 eine Schlosserlehre an. Diese musste er aber nach nur wenigen Monaten abbrechen, da er von den Nationalsozialisten zur Zwangsarbeit verpflichtet wurde.

Bei den Deutschen Tachometerwerken (DEUTA) am Kottbusser Tor musste Zvi jede Nacht von 22:00 bis 6:00 Uhr arbeiten, sodass er seine Eltern gar nicht mehr sah. Sie mussten tagsüber Zwangsarbeit leisten.

Während die massenhaften Deportationen jüdischer Bürger*innen schon 1941 begonnen hatten, wurde 1943 die „Fabrikaktion“ durchgeführt – eine Razzia und große Verhaftungswelle an den Orten der Zwangsarbeit, bei der auch die letzten verbliebenen Jüdinnen und Juden, vor allem aus Berlin, deportiert werden sollten.

Zvi erzählt von der sogenannten „Fabrikaktion“ und wie er entkommt:

Zvi sucht Hilfe bei seiner Tante Marie Grünberg

Nachdem Zvi entkommen kann, und nicht bei der sogenannten „Fabrikaktion“ deportiert wird, ging er zuerst zur Wohnung seiner Tante Marie Grünberg. Er musste einen Plan fassen. Seine Eltern waren bereits verhaftet worden. Heute wissen wir, dass sie später im Vernichtungslager Auschwitz ermordet wurden.

Zvi beschreibt im Folgenden seinen Besuch bei seiner Tante Marie Grünberg:

Marie Grünberg und ihr jüdischer Mann Kurt Grünberg konnte Zvi an diesem Tag zwar nicht helfen, aber sie versteckten in den nächsten zweieinhalb Jahren drei jüdische Männer und retteten somit ihr Leben. Auch Zvi haben sie im weiteren Verlauf immer wieder mit Geld und Lebensmitteln versorgt. Marie Grünberg wurde später als „Gerechte unter den Völkern“ von Yad Vashem ausgezeichnet.

Foto: l.: Yad Vashem; o.r.: Yad Vashem; u.r.: United States Holocaust Memorial Museum, courtesy of Julien Bryan Archive; Copyright: United States Holocaust Memorial Museum; Source Record ID: Collections: 2003.214; Second Record ID: Germany 24/Frame 211
Zvis Tante Marie Grünberg. Rechts die Gartenlaube in Blankenburg, in der sie auch Zvi öfter versteckte.
Zvi besucht Georg Robert Michel

Nachdem er von seiner Tante abgewiesen worden war, ging Zvi zu einem Kumpel, mit dem er zuvor gemeinsam Zwangsarbeit hatte leisten müssen. Zvis Freund hieß Georg Robert Michel. Er war Kommunist und wohnte in der Nähe. Zvi und er hatten sich während der Zwangsarbeit kennengelernt und beschlossen, sich gemeinsam zu verstecken, falls es soweit kommen sollte, dass sie deportiert werden sollten.

Zvi beschreibt den Weg zur Wohnung von seinem Kumpel Michel und den Besuch bei ihm:

Zvi trifft zufällig Leopold Chones und sie tauchen unter

Zvi war 16 Jahre alt und allein auf den Straßen von Berlin. Zwischen all den Menschen, Kutschen und Autos entdeckte er ein bekanntes Gesicht aus der Schule: den etwas älteren Leopold Chones, genannt Poldi. Auch er ist der Gestapo nur Momente vorher um Haaresbreite entkommen.

Zvi und Poldi taten sich zusammen, aßen etwas und beschlossen, sich in den folgenden Nächten in Zvis Wohnung zu verstecken. Tagsüber trennten sie sich. Zvi suchte schließlich den Bekannten von Michel auf, um in dessen Gartenlaube Unterschlupf zu finden. Poldi ging zu Jitzchak Schwersenz, dem Leiter der jüdisch-zionistischen Aliyah-Schule in Berlin, den er von dort kannte. Poldi überlebte nicht. Er wurde am 29.Oktober 1943 von Berlin nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Die Widerstandsgruppe Chug Chaluzi

Jitzchak Schwersenz war nicht nur Schulleiter, sondern hatte auch die zionistische Widerstandsgruppe Chug Chaluzi (hebräisch; übersetzt „Kreis der Pioniere“) gegründet. Die Widerstandsgruppe zählte ca. 40 Mitglieder und hatte es sich zur Aufgabe gemacht, Jüdinnen und Juden beim Überleben im Untergrund und beim Verlassen des Landes zu unterstützen. Neben den regelmäßigen Treffen, bei denen sie sich über den Zionismus austauschten und religiöse Feste feierten, schlossen sie sich auch für weitaus gefährlichere Unternehmungen zusammen.

Caption: Foto: r. United States Holocaust Memorial Museum, zur Verfügung gestellt von Jizchak Schwersenz; l.: Jüdisches Museum Berlin, Inv.- Nr. 2000/265/5, Schenkung von Roselotte Winterfeldt, geb.Lehmann, Foto: Roman März; u.: Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Freiburg, W 113 Nr. 0038, Permalink: https://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=5-13080&a=fb11
Die Chug Chaluzi bei einer Wanderung im Grunewald: v.r. Poldi, Zvi, Jitzchak Schwersenz, David Billard und Gad Beck. Links daneben ein Kriegsplakat der Reichspropagandaabteilung der NSDAP.
Zvi wird durch die Gestapo verhaftet

Am 18. November 1943 schlief Zvi gerade in der Gartenlaube des Bekannten von Michel, wo er Schutz gefunden hatte, als die Gestapo in die Gartenlaube kam.

Zvi schildert im Folgenden Audio seine Verhaftung und die Verhöre durch die Gestapo:

Die Familie Seidmann wird ebenfalls verhaftet

Kurz nachdem Zvi verhaftet wurde, wurde auch die Familie Seidmann (Zajdmann), die ebenfalls Mitglieder des Chug Chaluzi waren verhaftet. Die Familie Seidmann wurden verraten, als sie eine Opernvorstellung besuchen wollten. Der Vater Abraham sowie die Geschwister Moritz und Esther wurden von der Gestapo geschnappt, als sie das Operngebäude betreten wollten. Die Mutter konnte entkommen.

Die verhafteten Mitglieder der Familie Seidmann wurden in Zvis Zelle gesperrt (die Gestapo wusste nicht, dass alle einander kannten), wo sie zusammen ihre Flucht planten. Sie schafften es während eines Fliegeralarms, bei dem alle Insassen die Zellen verlassen mussten, Werkzeug aus einem anderen Raum zu stehlen. Damit konnten sie Gitterstangen im Fenster ihrer Zelle lösen. Zvi, Abraham und Moritz nutzten dann den Bombenalarm der Silvesternacht 1943/44 und kletterten aus dem Gefängnis.

Esther hat es leider nicht geschafft durch das Fenster zu entkommen, da die Fluchtaktion mittlerweile aufgeflogen war. Dennoch überlebte sie den Holocaust, auch wenn die genauen Umstände heute unbekannt sind.

Foto: o.l.: 1.2.4.1/12673768, ITS Digital Archive, Arolsen Archives u.r.: United States Holocaust Memorial Museum, zur Verfügung gestellt von Jitzchak Schwersenz und Hadassa Carlebach11
Die Chug Chaluzi bei einer Schawuot-Feier in der Wohnung von Gad (nicht zu sehen) und Miriam Beck (r. im Bild). Neben Jitzchak Schwersenz (l.), siehst du Edith Wolf (hinter ihm), Zvi, Poldi und David Billard. Dahinter siehst du die Schülerkarte von Esther Seidmann.
Die Tätigkeiten der Widerstandsgruppe Chug Chaluzi

Zvi war im Chug Chaluzi dafür zuständig, Lebensmittelkarten zu organisieren. Diese kaufte er von einem Bekannten seines Onkels Martin (dem Schwager seiner Tante Marie Grünberg), den er für diesen Zweck regelmäßig heimlich traf. Die Lebensmittelkarten waren nicht gefälscht, sondern Hehlerware. Durch das Netzwerk der Chug Chaluzi verkaufte er die Karten an andere in Berlin illegal lebende Jüdinnen und Juden. So konnte Zvi sich wiederum Essen und Kleidung kaufen und auch die anderen Aktionen der Gruppe unterstützen.

Darüber hinaus verteilte Zvi, als Gegenleistung für den Schlafplatz in der Laube, kommunistische Flugblätter in der Berliner S-Bahn. Dies geschah vor allem spätabends, wenn die Waggons leer waren und er die Flugblätter einfach auf die Sitze legen konnte, ohne dass ihn jemand sehen würde.

Die Unternehmungen des Chug Chaluzi umfassten auch das Organisieren von Unterschlupf- und Versteckmöglichkeiten sowie die Beschaffung von gefälschten Pässen.

Nachdem der Leiter des Chug Chaluzi, Jitzchak Schwersenz, sich in die Schweiz retten konnte und die Gruppe von dort aus weiter unterstützte, übernahmen Zvi und Gad Beck die Führung der Gruppe, was das Leben der beiden noch gefährlicher machte.

Foto: o.l.: 1.2.4.1/12650479, ITS Digital Archive, Arolsen Archives o.r.: Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. FOT 89/500/77/003 u.r.: United States Holocaust Memorial Museum, zur Verfügung gestellt von Gad Beck11
Leopold „Poldi“ Chones (li.) mit Mitgliedern und dem Leiter des Chug Chaluzi (v.l. Miriam Beck, Jitzchak Schwersenz und David Billard) bei einer Waldwanderung. Im Hintergrund Poldis Schülerkarte und Passfoto.
Zvi wird erneut verhaftet

Durch Kontakte von Jitzchack Schwersenz in die Schweiz hatte das Chug Chaluzi eine große Menge Geld bekommen – vor allem, um gefälschte Pässe zu kaufen und weiteren jüdischen Menschen zur Flucht zu verhelfen. Im Frühjahr 1945 wurde ein Mittelsmann bespitzelt und so die Gruppe verraten. Zvi und Gad Beck wurden von der Gestapo verhaftet und im Sammellager Schulstraße im Berliner Stadtteil Wedding inhaftiert.

Nachdem sie von der Gestapo über Tage gefoltert und verhört worden waren, fiel eine Bombe auf die Seite des Sammellagers, auf der sich ihre Kellerzellen befanden. Gad wurde verschüttet, aber nicht getötet, da die Bombe nicht explodierte. Nach seiner Befreiung aus den Ruinen kam er zwischenzeitlich ins Krankenhaus. Zvi blieb in seiner Zelle, bis der Krieg fast vorbei war.

Der Kampf um Berlin wurde immer härter und die Nationalsozialisten planten, alle Juden und Jüdinnen, die in Lagern in Berlin inhaftiert waren, zu erschießen. Es könnte sein, dass Curt Neumann – ein jüdischer Mann, der gezwungen worden war, für die Lagerverwaltung in der Schulstraße zu arbeiten – im April 1945 von den möglichen Erschießungen hörte, und einen falschen Befehl zur Entlassung aller Personen im Sammellager Schulstraße durchgab. Möglicherweise wurden dadurch die Inhaftierten gerettet. Zvi und Gad wurden im April 1945 aus der Gefangenschaft entlassen – sie waren frei.

Zvi wandert nach Palästina aus

Zvi ging nach der Befreiung zusammen mit Gad Beck in die US-amerikanische Besatzungszone nach Bayern, bevor sie 1948, kurz vor der Staatsgründung Israels, gemeinsam in das damalige Palästina auswanderten.

Zvi erzählt im Folgenden von den Herausforderungen der Migration in den späteren Staat Israel:

In Erinnerung an Zvi Aviram

Zvi machte sich in Israel als Schreiner selbständig und begann ein neues Leben.
Später trat er vielfach als Zeitzeuge auf, erzählte von seinem Leben in Berlin und klärte über die Geschichte des Holocaust auf. Zvi starb am 23. Oktober 2020 im Alter von 93 Jahren in Israel. Er hinterließ seine Frau Esther, 3 Kinder und 9 Enkelkinder.

Foto: Swen Rudolph; Komposition: Hanna Blonska (Fabular.ai)11

Wenn du den ganzen Stadtrundgang zum Leben und Untertauchen von Zvi Aviram und weiteren jüdischen Jugendlichen in Berlin machen möchtest, dann besuch die Berlin History App.

“Murmeln der Erinnerung” ist ein Projekt der Arolsen Archives und fabular.ai. Das Projekt wird von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ) gefördert.